42. Luhmann Systemtheorie: Recht der Gesellschaft, S. 195 K04 - a podcast by J. Feltkamp, U.Sumfleth

from 2021-09-09T19:39:41

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Warum gibt es im Rechtssystem nur Konditionalprogramme, keine Zweckprogramme? Der wichtigste Grund ist: Nur durch Wenn-dann-Bedingungen kann das System in der Kommunikation laufend zwischen Selbstreferenz und Fremdreferenz unterscheiden.

Selbstreferenz heißt, das System bezieht sich auf sich selbst. Die Kommunikation unterscheidet zwischen Recht und Unrecht. Alle Fakten werden darauf limitiert, ob sie sich dem Code zuordnen lassen.Fremdreferenz bedeutet, die Kommunikation bezieht sich auf die Umwelt – aber nur, um rechtsrelevante externe Fakten herauszufiltern. Diese behandelt das System dann wieder strikt nach systeminternen Normen. Insofern sind operativ geschlossene Systeme der Umwelt gegenüber kognitiv offen.

Nur Konditionen machen es möglich, immer feinere Unterscheidungen einzuziehen bei der Beurteilung, ob etwas Unrecht oder Unrecht ist. Das System kann sich ausdifferenzieren.Durch sein Konditionalprogramm konstruiert sich das Rechtssystem selbst als Trivialmaschine: Bei gleichem Input kommt das gleiche Output heraus. Gleiche Fälle werden gleichbehandelt. Und das Urteil unterscheidet garantiert zwischen Recht und Unrecht.

Konditionalprogramme sind eine evolutionäre Errungenschaft, die bereits vor rund 5000 Jahren bald nach der Erfindung der Schrift in Mesopotamien in Texten nachweislich ist. Simple Wenn-dann-Verknüpfungen strukturieren die Welt. Sie ordnen Komplexität, ohne sie zu diesem Zeitpunkt bereits logisch begründen zu können.Konditionen verknüpfen Ursache und Wirkung: Wenn etwas so und so ist, dann soll das und das gelten. Konditionalprogramme, die eine Beziehung zwischen Ursache und Wirkung herstellen (Kausalität), entwickelten sich also sehr viel früher als die Fähigkeit zu logischem Denken, bei der von der Wirkung ausgehend auf die Ursache zurückgeschlossen wird. Ein solches Mehr-Ebenen-Denken entwickelte sich erst ab dem 5. Jh. v. Chr. bei den „alten Griechen“, allen voran Aristoteles.

Weil Konditionalprogramme seit Jahrtausenden praktiziert werden, haben sie entsprechend stark und früh die Rechtsvorstellungen der Gesellschaft geprägt. Die jeweilige gesellschaftliche Differenzierungsform (ob tribal nach Stämmen, ständisch nach Adel/Volk oder funktional differenziert wie heute) ist für Konditionen nur ein Kontext, in dem zwischen Recht oder Unrecht unterschieden wird.Dabei operiert das Recht stets zeitlich nachgeschaltet, es arbeitet Ereignisse aus der Vergangenheit auf. Das bedeutet jedoch nicht, dass es die Zukunft nicht im Blick hätte. Beispiele dafür sind die Rechtsberatung zu geplanten Vorhaben. Oder Erlaubnisnormen, die ebenfalls an Konditionen geknüpft sind. Erlaubt wird ein zukünftiges Verhalten, freilich ohne zu wissen, ob die Erlaubnis je in Anspruch genommen werden wird. Kurz, Konditionalprogramme können zukunftsoffene Programme sein.

Ohnehin liegt die gesamtgesellschaftliche Funktion des Rechts darin, normative Verhaltenserwartungen für die Zukunft zu erzeugen und zu stabilisieren.Die Verknüpfung von Ursache und Wirkung schließt zugleich aus, dass zukünftige, zum Zeitpunkt der Festlegung noch nicht vorhandene Fakten bei der späteren Unterscheidung zwischen Recht und Unrecht eine Rolle spielen könnten. In diesem Ausschluss von zukünftigen Tatsachen in der zukünftigen Gegenwart findet sich der große Unterschied zum Zweckprogramm. (Ganzer Text auf luhmaniac.de)

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