Gleichgültigkeit und Desinteresse: Warum die Zugehörigkeit zur Kirche in Deutschland unter 50 Prozent sinkt - a podcast by Südwestrundfunk

from 2021-11-19T06:00

:: ::

Weniger als die Hälfte der Deutschen gehört noch einer der beiden christlichen Volkskirchen an. Dabei hätten viele Menschen noch Bindung zur Kirche, gingen an Weihnachten in den Gottesdienst, sagt der Münchner Theologe Friedrich Wilhelm Graf in SWR2.
Es gebe kein aggressives Anti-Christentum in Deutschland, aber, so der Theologe: „Es gibt Gleichgültigkeit, es gibt Desinteresse, und es gibt viel Verständnislosigkeit, weil ja nun die christliche Tradition in sich sehr widersprüchlich, komplex ist.“Den Kirchen fehle heute vor allem die lokale Präsenz. Sie seien „bürokratisierte, zum Teil auch bürokratisch erstarrte Organisationen“. Die Gemeinde vor Ort werde oft nicht genügend ernstgenommen. Kirchenskandale wie um den sexuellen Missbrauch oder den Limburger Bischof Tebartz van Elst hätten zur Verständnislosigkeit weiter beigetragen.
„Es gibt massive Klagen, dass, sozusagen, die religiöse Versorgung nicht mehr funktioniert“, sagt Graf. „Das hat mit dem Priestermangel im Katholizismus zu tun. Es hat aber auch damit zu tun, dass offenkundig das Bewusstsein geschwunden ist, dass die Menschen einen Anspruch darauf haben, wenn sie Kirchenmitglieder sind, angemessen behandelt zu werden.“Typisches Beispiel sei der Anruf in einem Pfarramt wegen der Bestattung eines Angehörigen – und zwei Tage lang passiere daraufhin nichts.
Reformbestrebungen seine in beiden Kirchen lange nicht vorangekommen. In der Evangelischen Kirche habe Heinrich Bedford-Strohm als EKD-Vorsitzender die Reformen von Wolfgang Huber nicht fortgeführt. Jetzt gebe es neue Diskussionen.In der Katholischen Kirche seien die Handlungsmöglichkeiten der katholischen Laien im Zentralkomitee begrenzt. Der synodale Weg sei umstritten, viele Bischöfe leisteten Widerstand.
Die Katholische Kirche sei tief gespalten, sagt Friedrich Wilhelm Graf: „Es gibt einen konservativen, sehr elitären Katholizismus, mit konservativen Bischöfen und faszinierenden Intellektuellen, die den Synodalen Weg für falsch halten, und es gibt viele Verbandsvertreter, Laienvertreter, wie das in der Sprache des Katholizismus heißt, die den Synodalen Weg wollen. Was dabei herauskommt, im Moment sehr offen.“Friedrich Wilhelm Graf ist emeritierter Professor für systematische Theologie in München.

Further episodes of Politisches Interview

Further podcasts by Südwestrundfunk

Website of Südwestrundfunk