Letztes Urteil zu Kriegsverbrechen in Ex-Jugoslawien: Weshalb Mord nie verjähren darf - a podcast by Südwestrundfunk

from 2021-06-30T06:00

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Vor dem wahrscheinlich letzten Urteil zu Kriegsverbrechen in Ex-Jugoslawien warnt der Völkerrechtler Prof. Kai Ambos vor zu viel Skepsis. Im Gespräch mit SWR2 erinnert der Experte daran, dass die Verfahren gegen ehemalige Militärs der Kriegsparteien Zeit brauchen: "Das sind eben Großverfahren - mit sehr vielen Zeugen." In Deutschland fänden immer noch Verfahren gegen Handlanger des NS-Regimes statt. Im Vergleich dazu sei eine juristische Aufarbeitung des Bürgerkriegs in Ex-Jugoslawien ein Vierteljahrhundert später leichter zu rechtfertigen. Ambos wörtlich: "Es geht immer um die Schaffung von Rechtsbewusstsein: Mord - sowas verjährt nie."
Die skeptische Sicht des Chefanklägers beim Den Haager Kriegsverbrechertribunal, Brammertz, Straffreiheit für Kriegsverbrecher sei inzwischen die Regel, mag Ambos nicht teilen: "Ich würde das nicht so negativ sehen." Die Erklärung, dass zu Verbrechen bei den Kriegen in Syrien und im Jemen nicht ermittelt wird, liegt für Ambos beim UN-Sicherheitsrat. "Der UN-Sicherheitsrat ist untätig und blockiert sich selbst", sagt der Jurist zur Weigerung Russlands und Chinas, zum Beispiel den syrischen Präsidenten Assad vor Gericht zu stellen.
Anstelle eines solchen Verfahrens würden Kriegsverbrecher nun vor nationalen Strafgerichten zur Rechenschaft gezogen, zum Beispiel auch in Deutschland. "Das ist komplementär", meint Ambos und ergänzt: "Wenn Assad in die EU reisen würde, müsste er mit einem Gerichtsverfahren rechnen."
Prof. Kai Ambos hat seit 2003 den Lehrstuhl für Straf- und Strafprozessrecht, Rechtsvergleichung, internationales Strafrecht und Völkerrecht an der Georg-August-Universität Göttingen inne. Seit 2017 ist er Richter am Kososo-Sondertribunal in Den Haag.

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