Tabubrecherin oder Visionärin? Mithu Sanyal über „Identitti“ - a podcast by SWR

from 2021-02-19T19:40

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Sie habe sich viel Mühe gegeben, ihre Figur Saraswati ambivalent zu gestalten, sagt Mithu Sanyal in SWR2. Die Autorin und Kulturwissenschaftlerin hat gerade ihren ersten Roman veröffentlicht: „Identitti“ heißt er. Darin geht es um einen großen Skandal: Die renommierte Professorin Saraswati gibt vor, indische Wurzeln zu haben. In Wirklichkeit ist sie aber eine weiße Frau, die mithilfe von OPs die Figur Saraswati erschaffen hat.
Besonders pikant ist das Ganze, weil Saraswati an der Uni Düsseldorf über Themen wie Rassismus, Identitätspolitik, und Postkolonialismus lehrt. Ihre Kurse sind beliebt wie ein Popkonzert, sie wird von ihren Studierenden angebetet wie eine Göttin. Bis sie eben auffliegt.
In dem Buch ginge es genau darum, zu verhandeln, ob es kulturelle Aneignung sei, beschreibt Mithu Sanyal ihren Roman: „Saraswati sagt, es ist kulturelle Wertschätzung. Ich habe mir sehr viel Mühe gegeben, diese Figur ambivalent zu gestalten. Und es gibt auch Menschen, die sie hassen. Und auch das macht mich glücklich. Saraswati löst in Menschen ambivalente Gefühle aus.“ Kann die eigene Herkunft so fluide sein wie das eigene Geschlecht? Mithu Sanyal wägt das in ihrem Roman ab: „In unserer Welt ist race eine Konstruktion, eine die aber wahnsinnig Macht über uns hat. In einer besseren Welt wäre es immer noch eine Konstruktion, hätte aber nicht mehr diese Macht über uns.“ Doch bis wir dahin kommen würden, müssten erst jahrhundertelange, durch Rassismus ausgelösten Wunden geheilt werden. Und dann wäre das, was Saraswati getan hat, vielleicht in Ordnung. Nur bis dahin ist es besonders für ihre Studierenden, für die sie ein wichtiges Vorbild war, ein Tabubruch.

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