Tübinger Ethikrats-Mitglied Bormann über Impfpflicht-Debatte im Bundestag:"Der kleine Pieks` wirft auch grundlegende Fragen auf" - a podcast by SWR

Das Ethikrats-Mitglied Franz-Josef Bormann hält es für gerechtfertigt, Bundestagsdebatten über eine mögliche allgemeine Corona-Impfpflicht als ebenso bedeutsam zu betrachten wie solche über andere ethischen Fragen."Der `kleine Pieks` scheint im Vergleich zu den großen Fragen von Sterbehilfe, Abtreibung etc. etc. zunächst einmal moralisch weniger gewichtig zu sein. Aber er wirft eben auch grundlegende Fragen auf", erklärte der Moraltheologe im SWR Tagesgespräch.
Er halte es auch für"politisch klug", im Bundestag darüber zu debattieren, so der Professor der Universität Tübingen."Es geht auch um das Signal an die Bevölkerung: `Wir haben uns diese Entscheidung nicht leicht gemacht. Wir haben die Gründe wirklich sorgfältig abgewogen und sind dann im Blick auf diese entsprechenden ausgetauschten Argumente auch zur entsprechenden Mehrheitsentscheidung gekommen`".
Bormann sagte, er glaube jedoch nicht, dass damit der gesellschaftliche Streit zum Thema beendet sei:"Es ist auch egal, welche Variante einer Impfpflicht im Deutschen Bundestag beschlossen wird: Es ist damit zu rechnen, dass es im Nachhinein rechtliche Auseinandersetzungen darüber geben wird. Hier kann kein Szenario einer sozusagen völligen Befriedung erwartet werden."Es könne jedoch die Debatte wieder etwas versachlichen. Sollte es außerdem wieder einmal zu Pandemien in Deutschland kommen, handele es sich um einen wichtigen Präzedenzfall, sagte Bormann, der zu den insgesamt 26 Ethikrats-Mitgliedern zählt.
Das Gremium, das die Bundesregierung berät, sprach sich vor einigen Wochen für eine Impfpflicht aus, hält das Thema aber für sehr heikel. Bormann selbst hatte vor kurzem in der"Rheinischen Post"für eine altersbezogene Regelung plädiert: Eine nach Risiko gestaffelte Impfpflicht wie beispielsweise ab 50 Jahren lasse sich"ethisch leichter begründen als eine allgemeine Impfpflicht", sagte er damals. Bei letzterer stelle sich dagegen"schnell die Frage nach der Verhältnismäßigkeit".
Im Bundestag haben Abgeordnete an diesem Mittwoch erstmals über die mögliche Ausweitung der Corona-Impfpflicht debattiert. Sie gilt ab Mitte März im Gesundheits- und Pflegewesen. Im Bundestag gibt es Vorschläge, sie entweder für alle Erwachsenen ab 18 Jahre oder nur für Ältere auszuweiten. Eine weitere Gruppe lehnt eine allgemeine Corona-Impfpflicht hingegen ab. Bis Ende März soll eine Entscheidung fallen.

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