Peter Weibel - Geleit (Götter und Schriften rund ums Mittelmeer) - a podcast by ZKM | Zentrum für Kunst und Medien Karlsruhe

from 2012-12-31T11:03:23

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Götter und Schriften rund ums Mittelmeer. Symposion in memoriam Friedrich Kittler | Symposium



Fr, 19.10.2012 – Sa, 20.10.2012, ZKM_Medientheater



Die Schrift ist das erste Medium. Das ist der Sinn der Behauptung: Am Anfang war das Wort. Mit der Schrift begann jene Kette von Medienrevolutionen, die uns von Runen und Piktogrammen u?ber musikalische und mathematische Notationen bis zu den Symbolen auf den grafischen Benutzeroberfla?chen von Computermenu?s fu?hrte. Die Schrift ist das Medium der Absenz und gema?ß Freud (Das Unbehagen der Kultur, 1930) setzt die Technik die Arbeit der Schrift fort. Technik ist also ebenfalls ein Medium der Absenz. Deswegen lautet meine These: Alle Technologie ist Teletechnologie (Telefax, Telefon, Television etc.) und alle Teletechnologie ist Theotechnologie. Jede Medienrevolution ist daher nicht nur eine technische, sondern auch eine soziale, erkenntnistheoretische und sogar religio?se. Die Religion ist gewissermaßen ein Effekt der Medien. Die Schrift ist noch immer ein zentrales Medium und wegen ihrer Abha?ngigkeit von der Schrift, von der Bibel zum Koran, ist Religion selbst ein Medium (s. Boris Groys, Peter Weibel, Das Medium Religion, 2011).

Die symbolische Ordnung aller Schrift- und Bildzeichen ist offensichtlich deswegen so wichtig, weil sie die soziale Ordnung nicht nur spiegelt, sondern auch mitkonstruiert. Daher war ich sofort fasziniert, als mir Kittler in Gespra?chen andeutete, er ha?tte eine neue Theorie, wieso Jesus von Nazareth ermordet wurde. Als Ergebnis neuer Reflexionen zur Entstehung der Schriftkultur als Beginn aller Medientheorie hat Kittler mir seine Theorie u?ber die Rolle Jesus’ von Nazareth als Medienrebell skizziert.



Peter Weibel, 1944 in Odessa geboren, studierte Literatur, Medizin, Logik, Philosophie und Film in Paris und Wien. Durch seine vielfa?ltigen Aktivita?ten wurde er eine zentrale Figur in der europa?ischen Medienkunst. Seit 1984 ist er Professor an der Universita?t fu?r Angewandte Kunst in Wien, 1984-1989 war er Professor fu?r Video und Digitale Kunst am Center for Media Study an der State University of New York in Buffalo. 1989 gru?ndete er das Institut fu?r Neue Medien an der Sta?delschule in Frankfurt, das er bis 1995 leitete. Von 1986 bis 1995 war er ku?nstlerischer Leiter der Ars Electronica in Linz und von 1993 bis 1999 O?sterreichs Kommissa?r der Biennale von Venedig. Von 1993 bis 2011 Chefkurator der Neuen Galerie in Graz, seit 1999 ist er Vorstand des ZKM | Karlsruhe. 2008 leitete er die Biennale von Sevilla (Biacs3). 2007 wurde ihm die Ehrendoktorwu?rde der University of Art and Design Helsinki verliehen, 2008 das franzo?sische Ehrenzeichen „Officier dans l'Ordre des Arts et des Lettres“. 2011 war er ku?nstlerischer Direktor der 4. Moskau Biennale fu?r zeitgeno?ssische Kunst.



In seinem Lebenswerk hat Medientheoretiker Friedrich Kittler (1943?2011), die Geschichte der Dichtung, der Philosophie, ja der Kultur als solche vom Kopf auf die Füße ihrer technischen und vortechnischen Medien gestellt. Was Aufschreibesysteme für die Literatur, was Befehlssätze für programmierbare Maschinen, das ist den Göttern das elementarste Medium im lateinischen Wortsinn von elementa: Buchstaben. Das Symposion »Götter und Schriften rund ums Mittelmeer«, noch zu Lebzeiten von dem deutschen Medientheoretiker Friedrich Kittler selbst vorbereitet, widmet sich dieser Hypothese. Wie bestimmen die Kontakte, Konkurrenzen, Innovationen der verschiedenen Schriften und Alphabete seit der frühesten Antike rund ums Mittelmeer die zukünftigen Geschicke des Abendlands? Seit dem Neolithikum gibt es im Mittelmeerraum Kulturen, deren Alphabete eng an Verwaltung und Handel, Befehlsflüsse und Gesetze gebunden sind, aber auch eine Kultur, die ihr Alphabet aus dem Schreiben von Musik und Gesangsvortrag, Vers und Götteranrufung schöpft. Einige Schriften des Mittelmeers ? in Keilen, Bildschriftzeichen, Silbenschriften dargestellt ? sind graphisch orientiert. Sie schreiben von den Worten der Sprache meist Konsonanten oder Konsonantengruppen. Andere, wie das griechische Alphabet, das als erstes der Welt auch Vokale schreibt, sind phonetisch orientiert und damit prinzipiell auf jede Sprache übertragbar. Mächtige Gesetzesgötter einerseits strafen und befehlen. Der Verkehr mit ihnen wird gesetzlich geregelt. Andererseits gibt es Götter, die an- und abwesend sind. Der Verkehr mit ihnen wird nicht verwaltet, sondern begangen. Wie sind diese verschiedenen Ausgestaltungen der Götterwelten in den Schriftsystemen widergespiegelt?

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