(37) Gustav Schwab »Jasons Ende« - a podcast by Elisa Demonki

from 2021-01-31T22:10:42.023393

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Sagen des klassischen Altertums
II. Buch. Die Argonautensage


Iason gelangte nicht zu dem Thron von Iolkos,
um dessentwillen er die gefahrvolle Fahrt bestanden,
Medea ihrem Vater geraubt und an ihrem Bruder Absyrtos
einen schändlichen Mord begangen hatte.
Er mußte das Königreich dem Sohn des Pelias, Akastos, überlassen
und sich mit seiner jungen Gemahlin nach Korinth flüchten.

Hier lebte er zehn Jahre mit ihr, und sie gebar ihm zwei Söhne,
Memeros und Pheros mit Namen.

Während jener Zeit war Medea nicht nur um ihrer Schönheit willen,
sondern auch wegen ihres edlen Sinnes
und ihrer übrigen Vorzüge von ihrem Gatten geliebt und geehrt.

Als aber später die Zeit die Reize ihrer Gestalt allmählich vertilgte,
wurde Iason von der Schönheit eines jungen Mädchens,
der Tochter des Korintherkönigs Kreon,
mit Namen Glauke, entzündet und betört.

Ohne daß seine Gattin darum wußte, warb er um die Jungfrau,
und erst nachdem der Vater eingewilligt und den Tag der Hochzeit bestimmt hatte, suchte er seine Gemahlin zu bewegen,
daß sie freiwillig auf die Ehe verzichten sollte.

Medea war entrüstet über diesen Antrag und rief zürnend die Götter an,
als Zeugen seiner Schwüre.
Iason achtete desen nicht und vermählte sich mit der Königstochter.
Verzweifelnd irrte Medea im Palast ihres Gatten umher.
»Wehe mir«, rief sie, »möchte die Flamme des Himmels auf meinem Haupt herniederzücken! Was soll ich länger leben?
Möchte der Tod sich meiner erbarmen!
O Vater, o Vaterstadt, die ich schimpflich verlassen habe!
O Bruder, den ich gemordet und dessen Blut jetzt über mich kommt!
Aber nicht an meinem Gatten Iason war es, mich zu strafen;
für ihn habe ich gesündigt! Göttin der Gerechtigkeit,
mögest du ihn und sein junges Weib verderben!«

Noch jammerte sie so, als Kreon, Iasons neuer Schwiegervater,
im Palast ihr begegnete.
»Du finster Blickende, auf deinen Gemahl Ergrimmte«,
redete er sie an, »nimm deine Söhne an der Hand
und verlaße mein Land auf der Stelle;
ich werde nicht nach Hause kehren,
ehe ich dich über meine Grenzen gejagt.«

Medea, ihren Zorn unterdrückend, sprach mit gefaßter Stimme:
»Warum fürchtest du ein Übel von mir, Kreon?
Was hast du mir Böses getan, was wärest du mir schuldig?
Nur meinen Gatten hasse ich, der mir alles schuldig ist.
Doch es ist geschehen; mögen sie als Gatten leben.
Mich aber laßt in diesem Lande wohnen; denn obgleich ich tief gekränkt bin,
so will ich doch schweigen und den Mächtigeren mich unterwerfen.«

Aber Kreon sah ihr die Wut in den Augen an, er traute ihr nicht,
obgleich sie seine Kniee umschlang und ihn bei dem Namen der eigenen,
ihr so verhaßten Tochter Glauke beschwor. »Geh«, erwiderte er,
»und befreie mich von Sorgen!«
Da bat sie nur um einen einzigen Tag Aufschub,
um einen Weg zur Flucht und ein Asyl für ihre Kinder wählen zu können.
»Meine Seele ist nicht tyrannisch«, sprach nun der König;
»schon viel törichte Nachgiebigkeit habe ich aus falscher Scheu geübt.
Auch jetzt fühle ich, daß ich nicht weise handle;
dennoch sei es dir gestattet, Weib.«

Als Medea die gewünschte Frist erhalten hatte,
bemächtigte sich ihrer der Wahnsinn,
und sie schritt zur Vollführung einer Tat,
die ihr wohl bisher dunkel im Geist vorgeschwebt,
an deren Möglichkeit sie aber selbst nicht geglaubt hatte.

Dennoch machte sie vorher einen letzten Versuch,
ihren Gatten von seinem Unrecht und seinem Frevel zu überzeugen.
Sie trat vor ihn und sprach zu ihm:
»O du schlimmster aller Männer, du hast mich verraten,
bist einen neuen Ehebund eingegangen,
während du doch Kinder hast.
Wärest du kinderlos, so wollte ich dir verzeihen;
du hättest eine Ausrede. So bist du unentschuldbar;
Meinst du, die Götter, die damals herrschten, als du mir Treue versprachst, regieren nicht mehr, oder es seien den Menschen neue Gesetze für ihre Handlungen gegeben worden,
daß du glaubst, meineidig werden zu dürfen?
Sage mir, ich will dich fragen, als wenn du mein Freund wärest:
wohin rätst du mir zu gehen?
Schickst du mich zurück in meines Vaters Haus,
den ich verraten, dem ich den Sohn getötet habe, dir zulieb?
Oder welche andere Zuflucht weißt du für mich?
Fürwahr, es wird ein herrlicher Ruhm für dich, den Neuvermählten, sein,
wenn deine erste Gemahlin mit deinen eigenen Söhnen in der Welt betteln geht!«

Doch Iason war verhärtet.
Er versprach ihr, sie und die Kinder,
mit reichlich Geld und Briefen an seine Gastfreunde versehen, zu entlassen.
Sie aber verschmähte alles: »Geh, vermähle dich«,
sprach sie; »du wirst eine Hochzeit feiern, die dich schmerzen wird!«

Als sie ihren Gemahl verlassen hatte, reuten sie die letzten Worte wieder,
nicht, weil sie anderen Sinnes geworden war, sondern weil sie fürchtete,
er möchte ihre Schritte beobachten
und sie an der Ausübung ihres Frevels verhindern.

Sie ließ daher um eine zweite Unterredung mit ihm bitten
und sprach zu ihm mit veränderter Miene:
»Iason, verzeih mir, was ich gesprochen; der blinde Zorn hat mich verführt,
ich sehe jetzt ein, daß alles, was du getan hast,
zu unserm eigenen Besten gereichen soll.
Arm und verbannt sind wir hierhergekommen;
du willst durch deine neue Heirat für dich, für deine Kinder,
zuletzt auch für mich selbst sorgen.
Wenn sie eine Weile fern gewesen sind, wirst du deine Söhne zurückrufen,
wirst sie teilnehmen lassen am Glück der Geschwister,
die sie erhalten sollen.
Kommt herbei, kommt herbei, Kinder, umarmt euren Vater,
versöhnt euch mit ihm, wie ich mich mit ihm versöhnt habe!«

Iason glaubte an diese Sinnesänderung und war hocherfreut darüber,
er versprach ihr und den Kindern das Beste;
und Medea fing an, ihn noch sicherer zu machen.
Sie bat ihn, die Kinder bei sich zu behalten und sie alleine ziehen zu lassen.

Damit die neue Gattin und ihr Vater dieses dulde,
ließ sie aus ihrer Vorratskammer köstliche goldene Gewänder holen
und reichte sie dem Iason als Brautgeschenk für die Königstochter.
Nach einigem Bedenken ließ dieser sich überreden,
und ein Diener ward abgesandt, die Gaben der Braut zu bringen.
Aber diese köstlichen Kleider waren mit Zauberkraft getränkte giftige Gewänder, und als Medea heuchlerischen Abschied von ihrem Gatten genommen hatte, harrte sie von Stunde zu Stunde, der Nachricht vom Empfang ihrer Geschenke
die ein vertrauter Bote ihr bringen sollte.

Dieser kam endlich und rief ihr entgegen: »Steig in dein Schiff, Medea, fliehe! fliehe!
Deine Feindin und ihr Vater sind tot.
Als deine Söhne mit ihrem Vater das Haus der Braut betraten,
freuten wir Diener uns alle, daß die Zwietracht verschwunden
und die Versöhnung vollkommen sei.
Die junge Königin empfing deinen Gatten mit heiterem Blick;
als sie aber die Kinder sah, bedeckte sie ihre Augen,
wandte das Antlitz ab und verabscheute ihre Gegenwart.
Doch Iason besänftigte ihren Zorn,
sprach ein gutes Wort für dich und breitete die Geschenke vor ihr aus.
Als sie die herrlichen Gewande sah, wurde ihr das Herz von der Pracht gereizt,
es wandte sich, und sie versprach ihrem Bräutigam, in alles zu willigen.

Als dein Gemahl mit den Söhnen sie verlassen hatte,
griff sie mit Begierde nach dem Schmuck,
legte den Goldmantel um, setzte den goldenen Kranz sich ins Haar
und betrachtete sich vergnügt in einem hellen Spiegel.
Dann durchwandelte sie die Gemächer
und freute sich wie ein kindisches Mädchen ihrer Herrlichkeit.

Bald aber wechselte das Schauspiel.

Mit verwandelter Farbe, an allen Gliedern zitternd,
wankte sie rückwärts, und bevor sie ihren Sitz erreicht hatte,
stürzte sie auf den Boden nieder, erbleichte,
begann die Augensterne zu verdrehen, und Schaum trat ihr vor den Mund.
Wehklagen ertönte in dem Palaste, die einen Diener eilten zu ihrem Vater,
die andern zu ihrem künftigen Gatten.
Inzwischen flammte der verzauberte Kranz auf ihrem Haupte in Feuer auf;
Gift und Flamme zehrten an ihr um die Wette;
und als ihr Vater jammernd herbeigestürzt kam,
fand er nur noch den entstellten Leichnam der Tochter.
Er warf sich in Verzweiflung auf sie;
vom Gifte des mörderischen Gewandes ergriffen,
hat auch er sein Leben geendet.«

Die Erzählung dieser Greuel, statt die Wut Medeas zu dämpfen,
entflammte sie vielmehr; und ganz zur Erinye Rachsucht geworden,
rannte sie fort, ihrem Gatten und sich selbst den tödlichsten Schlag zu versetzen.
Sie eilte zur Kammer, wo ihre Söhne schliefen;
denn die Nacht war herbeigekommen.

»Waffne dich, mein Herz«, sprach sie unterwegs zu sich selber,
»was zögerst du, das Gräßliche und Notwendige zu vollbringen?
Vergiß, Unglückliche, daß es deine Kinder sind, daß du sie geboren hast.
Nur diese eine Stunde vergiß es! Nachher beweine sie dein ganzes Leben lang.
Du tust ihnen selbst einen Dienst.
Tötest du sie nicht, so sterben sie von einer feindseligen Hand.«

Als Iason in sein Haus geflogen kam,
die Mörderin seiner jungen Braut aufsuchend und sie seiner Rache zu opfern,
scholl ihm das Jammergeschrei seiner Kinder entgegen,
die unter dem Mordstahl bluteten;
er trat in die aufgestoßene Kammer
und fand seine Söhne wie Schuldopfer hingewürgt.

Als er in Verzweiflung sein Haus verließ,
hörte er in der Luft ein Geräusch über seinem Haupt.
Emporschauend ward er hier die fürchterliche Mörderin gewahr,
wie sie auf einem mit Drachen bespannten Wagen,
den ihre Kunst herbeigezaubert hatte,
durch die Lüfte davonfuhr und den Schauplatz ihrer Rache verließ.
Iason hatte die Hoffnung verloren, sie je für ihren Frevel zu strafen;
die Verzweiflung kam über ihn,
er stürzte sich in sein Schwert und fiel auf der Schwelle seines Hauses.



Bild: wikipedia - Medea - Wandmalerei um 70-79 (Neapel)
Lesung & Töne: Elisa Demonkí

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